Trossau - unsere Heimat

Englische Flieger


Als kleiner Bub habe ich etwas mitbekommen, das mich noch lange danach immer wieder bewegt hat. Es war ein Gespräch meines Vaters mit seinem besten Freund. Wir waren auf der Heimfahrt von einem Trossauer Treffen in München. Es war ein Heimattreffen von vertriebenen Egerländern wie es in dieser Zeit viele gab.


Der Freund erzählte von seiner Gefangenschaft in Sibirien und wie er 1951 aus der Gefangenschaft in einem Vernichtungslager an der Lena entlassen wurde. Die unsäglichen Strapazen die er ertragen musste konnte ich auch als Kind erkennen. Er war hager und seine Wangen eingefallen. So sah er auch zehn Jahre nach seiner Entlassung und seiner Heimkehr noch so aus, wie er aus der Gefangenschaft entlassen wurde.


Irgendwann erzählte er auch von seiner Frau mit der das Bett nicht mehr teilte. Eine Tatsache und ein Schicksal das viele Heimkehrer zu verkraften hatten. Für mich als kleiner Junge war dies nicht so schwerwiegend. Viele Paare hatten sich durch die lange Trennung auseinander gelebt. Der Krieg, die Erlebnisse, das Leiden und die vielen unsäglichen Entbehrungen taten ihres dazu. Auch ein Kind konnte diese Situation nicht ändern und schon gar nicht verbessern, wie ich erst später begreifen konnte.


Weinend erzählte er dass der kleine Franzose, ja nicht von ihm wäre. Ich konnte mir auf diesen Teil des Gespräches keinen Reim machen und überhaupt nichts vorstellen. Ein kleiner Franzose, bei uns gab es doch nur bayerische Kinder. Erst viel später begriff ich was passiert war.


Seine Frau hatte sich in einen Kriegsgefangenen aus Frankreich verliebt oder ein Abenteuer gesucht und aus dieser Beziehung stammte der kleine Franzose. Ein nicht ganz ungefährliches Verhältnis für Beide.


Jedenfalls aus Scham darüber und damit die Schande nicht öffentlich wurde und die Leut´ nicht reden ist er bei seiner Frau geblieben und hat den Jungen mehr oder weniger gut angenommen. Dass dieses Verhältnis nicht sonderlich glücklich war kann man sich ja vorstellen.


Was hatte die Geschichte aber mit den englischen Fliegern zu tun. Dadurch dass mein Vater nicht im Krieg war, fühlte er sich immer etwas schuldig aber auch minderwertig gegenüber der Kriegsteilnehmern und Frontsoldaten. Und so erzählte er eben auch die Geschichte von den Fliegern. Er wollte nur gegen über seinem Freund zum Ausdruck bringen, dass man auch daheim schlimme Dinge erlebt hat.


Es muss 1944 wahrscheinlich im Herbst gewesen sein. Als ein brennendes Flugzeug von Osten kommend sehr niedrig über Trossau flog und mit einem Feuerball hinter dem Wald hinunter ins Tepltal hinabstürzte. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich selbst zwanzig Jahre später als ein brennendes Militärflugzeug der Amerikaner bei uns in Gersthofen in sehr geringer Höhe brennend in eine nahe Kiesgrube stürzte und sich die Piloten mit dem Schleudersitz versuchten zu retten. Aber beide den Absturz mit dem Leben bezahlen mussten.


Zwei oder drei Fallschirme wurden gesehen, die ebenfalls in Richtung des Waldes vom Wind getrieben wurden und dort hinter oder im Wald gelandet sind. Damals war die Stimmung im Dorf wohl sehr aufgeheizt. Das resultierte daraus, dass man Nürnberg brennen sah und man die Schäden in Karlsbad in der näheren Umgebung direkt sehen konnte. Man wusste von den Opfern des Angriffs. Vor allem aber die Propaganda der Nazi Partei tat ihres dazu, dass man von den riesigen Schäden durch die für sie verbrecherischen alliierten Flieger wusste.
Jedenfalls sammelte sich ein Trupp des örtlichen Volkssturms angeführt von den Verantwortlichen der örtlichen Nazis mit Sensen, Knüppel, Messern, Jagdgewehren und Pistolen und lief in Richtung Wald. Wahrscheinlich haben dies auch noch Leute aus Donawitz und Leimgruben gemacht. Es ist nicht sicher ob sie die Flieger fanden. Vielleicht haben sie sie doch gefunden. Was dann geschah entzieht sich meiner Kenntnis. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern ob mein Vater weiter darüber gesprochen hat. Wahrscheinlich wurde auch in meiner Gegenwart nicht darüber geredet. Ich war damals gerade mal zehn Jahre alt. Das mit dem Verschweigen aber, war zu dieser Zeit eine gebräuchliche Methode sich der eigenen Schuld nicht zustellen.


Jedenfalls habe ich nach siebzig Jahren im Internet auf einer Seite von Reservisten der kanadischen Luftwaffe gelesen, dass zu diesem Zeitpunkt an dieser Stelle zwei Flieger ermordet bzw. gelyncht wurden. Beim Lesen fiel mir sofort dieses Gespräch ein. So schließt sich nach den vielen Jahren der Kreis und Schuld, wer sie auch immer auf sich geladen hat kommt zu Tage. (ef)